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    Die Visionen der Weberin

    Naira
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    Beitrag von Naira Fr Jul 15, 2011 12:15 am

    Die Visionen der Weberin


    Flink knüpften Finger Fäden zu einem Bild. Bilder, die jetzt noch keinen Sinn ergaben. Szenen von Reitern in glänzenden Rüstungen mit funkelnden Schwertern und Speeren. Blut bedeckte den Boden, befleckte Waffen und Wämser. Gesichter starrten verzerrt zu einem, Furcht, Schmerz spiegelten sich in ihnen, den diese Krieger empfanden. Feuer rings herum, schlossen die Kämpfenden ein, die unter Qualen zu verbrennen schienen. Es wirkte so real, so echt und lebendig...

    Düster waren diese Bilder, die von Leid kündeten. Ebenso düster wie die Gedanken der Knüpfenden, die diese Darstellungen fertigte. Es war die Zukunft. Die Zukunft, die ihre Nachkommen und Liebsten erwartete. Die sie nicht mehr miterleben würde.

    Silberne und bordeaux-rote Fäden verbanden sich unter ihren geschickten Händen zu einem langen schmalen Schwert. Rotes Haar umrahmte das Gesicht des Elben, der mit einer Hand die tödliche Waffe hielt. Die andere existierte nicht, ein Armstumpf ragte aus dem Ärmel des Hemdes. Neben ihm ein Schwarzhaariger, sein Bruder, mit ernstem und wehmütigem Gesicht. Grausige Wesen, wie sie noch kein Bewohner Amans gesehen hatte, rannten auf sie zu, Äxte, Keulen hoch erhoben.

    Auf dem nächsten Bild hing derselbe rothaarige Mann an einer Wand. Fetzen verdeckten das Nötigste des ausgemergelten Leibs, der mit blutroten Striemen gezeichnet war. Er war mit einer Hand an die Wand gekettet, die vollkommen aufgerieben war. Sein Gesicht starrte hilfeschreiend dem Betrachtenden an. In der nächsten Szene schnitt ein Schwarzhaariger ihn von der Wand, das Gesicht ebenso voll Schmerz.

    Auf der nächsten Darstellung war ein Wesen aus Flammen. Hörner ragten aus dem feurigen Körper. Der Angreifer – ein Elb auf weißem Ross – sah im Vergleich winzig aus. Alle Bilder hatten eines gemeinsam: Sie alle zeigten das Leid, den Krieg und Tod von Elben.

    Neben der Weberin drang das Gebrabbel eines Kindes an ihr Ohr. Überrascht hielt sie in ihrer Arbeit inne. Ihr Sohn war erwacht. „Hat dich das Rattern des Webschiffes geweckt?“, fragte sie leise. Das Lachen des Jungen zauberte ein zartes Lächeln auf ihre Lippen. „Feanáro...“

    Die junge Mutter nahm das Kind aus der Wiege und drückte es an ihre Brust. „Mein kleiner Feuergeist...“, wisperte sie, die Augen geschlossen.

    Feanáro sah sie aus großen dunklen Augen an und streckte die kleinen Ärmchen, um eine ihrer Haarsträhnen zu erwischen. Schmunzelnd reichte sie ihm eine und beobachtete, wie er sie erstaunt musterte. Dann steckte er sie munter plappernd in den Mund und strahlte seine Mutter an. Sanft entzog sie ihm die Strähne wieder. Es war ein wundervolles Gefühl den Jungen zu halten, ihm beim Erkunden dieser großen Welt zu zuschauen. Doch auch ein Gefühl größter Müdigkeit hatte sie erfasst, seit ihr Sohn auf der Welt war. Sie war erschöpft, als würde sie jeden Tag von morgens bis abends ununterbrochen arbeiten. Und mit jedem Tag der ins Land zog wurde es schlimmer...

    Sie setzte sich wieder an ihr Werk, den Jungen auf dem Schoss und sorgsam einen Arm um ihn gelegt. Liebevoll zeigte sie ihm die feinen Fäden, die sich seidig in ihre Hand schmiegten. Neugierig lag der Blick des Buben auf den glitzernden silbernen Fäden. Die kleinen Hände griffen danach und bekamen eine der Schnüre zu fassen. Er lachte triumphierend und wedelte stolz mit dem silbernen Schnürchen vor ihrem Gesicht. „Amme, Amme!!“

    Er klatschte und wedelte immer wieder mit dem Faden. Vollkommen überrumpelt schaute sie den Jungen an, der immer wieder „Amme“ rief und sie schließlich glücklich versuchte zu umarmen. Gerührt drückte sie ihr Gesicht in sein weiches Haar und Feanáro an sich.

    „Fea mü...mü...müde!“, plapperte er weiter und rieb sich die Augen. Dann gähnte er und blinzelte. „Amme“ Míriël lächelte und ging zu der Wiege. Wie schnell er doch ermüdete, dachte sie und legte den Kleinen hinein. Sanft zog sie die Decke über ihn und strich über seinen Kopf.

    Ein Elb stand auf einem Schiff. Sein Blick blieb am Horizont hängen. Er brannte lichterloh, Formen von Häusern ragten aus den Flammen. Ein trauriger, aber trotziger Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Seine Kleider waren voller Blut. Als sie dann in seine Augen sah, schrie sie erschrocken auf.

    Erstarrt blickte sie auf das unschuldige Kind in der Wiege, welches schon wieder tief schlief. Sie hatte ihn gesehen. Ihren kleinen Sohn. Als Mörder. War dies möglich? Zweifelnd musterte sie das Kind. Nein, es war unmöglich, musste unmöglich sein. Sie konnte nicht glauben, dass das aus ihrem Kind werden würde.

    Sie setzte sich vor den Teppich und begann wieder zum knüpfen. Sie musste sich ablenken, sonst würde sie verrückt. Diese Visionen waren grausam. Sie waren so erschütternd, dass sie einfach nicht wahr sein konnten.

    Doch ihr Herz sagte Míriёl, dass es mehr Wahrheit beinhaltete als sie es jemals glauben würde. Mehr noch, es sagte ihr, dass Feanáro eines Tages, wenn er wieder zurückkam diese Teppiche finden würde. Sie erschüttert anstarren und sich fragen würde woher seine Mutter dies gewusst hatte.

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