Es war einmal...

... dass er beim Volk beliebt sei wegen seines guten Aussehens und seines unbeschwerten Wesens. Aber jetzt musste er erkennen, dass das doch ein bisschen zu wenig war. Jedenfalls half es ihm nicht im Geringsten in dieser schwierigen Lage und er wurde plötzlich sehr traurig.

Der Wirt, dem dies nicht entging, machte ihm einen Vorschlag. "Wisst Ihr was, hier kommen öfter mal Leute her, die kein Geld haben. Denen biete ich dann an, statt Bezahlung eine Arbeit für mich zu machen. Wir haben gestern Holz gehackt und das muss gestapelt werden. Wenn Ihr diese Arbeit für mich machen wollt, könnt Ihr umsonst essen und wenn ich zufrieden bin, gebe ich Euch auch noch etwas Geld dazu."

Der Prinz machte ein entsetztes Gesicht und das veranlasste den Wirt zu sagen: "Aber Ihr könnt wohl überhaupt nicht arbeiten, das sieht man an Euren feinen Kleidern, wenn sie auch jetzt zerrissen und schmutzig sind. Ihr seid wirklich zu bedauerm." Als der Prinz das hörte, ...

...wurde ihm klar, dass der Wirt völlig Recht hatte. Er war zu bedauern. Er konnte nichts, denn er hatte ja immer seine Diener gehabt. Und ohne seinen Titel und sein Schloss war er nicht einmal zu einfacher Arbeit fähig. In diesem Moment fasste er einen Entschluss: Er konnte es nicht, also musste er es lernen.
"Herr Wirt, Ihr habt Recht, ich habe es nie gelernt, aber vielleicht wollt ihr mir eine Chance geben und es mich versuchen lassen."
Dem wirt war nicht ganz wohl bei der Sache, aber er hatte mitleid, also stimmte er zu.
Er zeigte dem Prinz, von dem er nicht wusste, das es einer war, die Arbeit, die er machen sollte. Als der junge Königssohn den Berg an geschlagenen Holz sah, ...

... zog er einen Augenblick in Erwägung, einfach fortzugehen und auf das Essen zu verzichten. Aber er machte sich klar, dass er früher oder später wieder vor demselben Problem stehen würde. Also ließ er sich zeigen, wo er den Holzstapel errichten sollte, und machte sich an die Arbeit.
Nach drei Stunden hatte er es endlich geschafft; seine Hände waren voller Holzsplitter und er war völlig verschmutzt und todmüde. Er ging ins Haus und erklärte, dass er fertig sei, und der Wirt ließ ihm eine Schüssel Suppe und einen Krug Bier bringen. Der Prinz hatte noch nie Kartoffelsuppe gegessen und es schien ihm, als habe man ihm bis dahin etwas besonders Köstliches vorenthalten, denn sie schmeckte ihm besser als jede Pastete und jeder Rehrücken. ...

..., was natürlich an der Arbeit lag, die er vorher erledigt hatte. Aber nicht nur, denn der Wirt war landauf, landab dafür berühmt die beste Kartoffelsuppe zu kochen.
Nachdem er gegessen hatten fielen ihm beinahe die Augen zu.
"Wenn du willst, kannst du im Schuppen übernachten. Morgen früh bekommst du noch ein Stück Brot und vielleicht habe ich ja auch wieder ein bisschen Arbeit für dich."
Der Prinz war erstaunt über die Güte des Mannes und nahm dankend an.
Im Schuppen fand er...

... einen Strohsack und eine Decke. Obwohl er glaubte, dass er so miemals würde schlafen können, schlief er sofort ein und wachte erst auf, als die Knechte am Morgen in den Schuppen kamen, um ihrer Arbeit nachzugehen.
Er ging in die Küche und traf dort die Tochter des Wirtes an, die ihn freundlich begrüßte und ihm Brot und Milch als Frühstück vorsetzte.
Als er mit Essen fertig war, aufstand und sich bedankte, fragte sie: ...

..."Möchtest du dir deine nächste Mahlzeit verdienen?"
"Ja gerne!" Er war erstaunt über seine eigenen Worte. Was er bestimmt nicht wollte war arbeiten, denn es taten ihm vom Vortag noch alle Knochen weh.
"Es müsste die Wiese hinter dem Haus gemäht werden. Kannst du mit der Sense umgehen?"
Er verneinte.
"Dann zeige ich es dir, komm mit"...

... Der Prinz folgte dem Mädchen und sie holte eine Sense aus dem Schuppen und fing an, die Wiese zu mähen. Nach einigen Minuten drückte sie ihm das Gerät in die Hand und forderte ihn auf, es ebenfalls zu versuchen. Er fand, dass es sehr schwierig war, sich dabei nicht selbst zu verletzen, aber er biss die Zähne zusammen und gab nicht auf. Es ging langsam, aber irgendwie kam er voran.
"Du machst das schon sehr gut", sagte sie nach einer Weile und ließ ihn allein, um wieder an ihre Arbeit in der Küche zu gehen.
Der Prinz fand, dass es plötzlich viel leichter ging, und gegen Mittag war er mit der Arbeit fertig. ...

...er begab sich in das Haus und fand das Mädchen wieder. Die hatte schon vorher aus dem Fenster gesehen und festgestellt, dass er mit dem Mähen fertig war und ihm bereits einen Teller Suppe auf den Küchentisch gestellt. Dazu gab es einen Kanten Brot.
Bei den vielen Banketts, die der Prinz besucht hatte, gab es nie etwas köstlicheres.
Als er aufgegessen hatte, bedankte er sich für das Essen und wollte er sich erneut verabschieden. Doch das Mädchen meinte...

... "Es gibt hier noch viel Arbeit und wenn du bleiben willst, so kannst du dich als Knecht hier verdingen und wirst auch den üblichen Lohn dafür bekommen. Du hast offensichtlich nicht viel Ahnung, aber ich werde dir helfen."
Der Prinz war entsetzt über die Aussicht, als Knecht zu arbeiten, aber es war klug genug, einzusehen, dass er sich aus seiner gegenwärtigen Lage vorläufig nicht befreien konnte und das Beste daraus machen musste. Außerdem gefiel ihm die Wirtstochter nicht schlecht; sie war freundlich und hilfsbereit und dazu auch noch ziemlich hübsch und das half ihm, sein Schicksal zu ertragen. Daher antwortete er: ...

..."Ich werde das Angebot gerne annehmen. Welche Arbeit soll ich nun erledigen?"

So arbeitete der Prinz als Knecht und freundete sich immer mehr mit der Tochter seines Chefs an. Aus Freundschaft wurde schließlich Liebe. Und eines Tages gestand der Prinz sein Geheimnis.

"Noch vor einer Woche hätte ich dich ausgelacht und für verrückt erklärt, aber nun glaube ich dir. Gleichzeitig bin ich aber traurig, denn wenn du eines Tages doch wieder der Prinz sein wirst, dann wirst du von mir nichts mehr wissen wollen."
"Das wird nie und nimmer geschehen!" sagte der Prinz. Selbst wenn man mich wieder erkennen sollte, was ich nicht glaube, weden meine Gefühle sich nicht ändern."

In diesem Augenblick geschah etwas seltsames. Alles drehte sich vor den Augen des Prinzen und er musste sich schnell auf den Boden setzen. Als er die Augen wieder öffnete sah er, dass er noch immer unter dem Baum saß. Er war wie der Prinz gekleidet und seine Kleider waren tadellos. Über ihm ertönte eine vertraute Stimme:...

..."Jetzt hast du einen Vorgeschmack davon bekommen, wie dein Volk lebt.Willst du mehr erfahren, so musst du dich selber darum kümmern."
Der Prinz war zunächst heilfroh darüber, dass er nicht mehr als Knecht arbeiten musste, und er versprach, dass er sich in Zukunft um die Sorgen seines Volkes kümmern würde. Dann kehrte er in das Schloss seines Vaters zurück, wo man ihn nicht vermisst hatte, denn in Wirklichkeit war nur eine Stunde vergangen.
Er nahm sein altes Leben wieder auf, achtete aber darauf, weniger verschwenderisch zu sein. Doch er hatte seit seiner Rückkehr dauernd das Gefühl, dass ihm etwas fehlte, und dachte verzweifelt darüber nach, was es sein könnte. Schließlich kam er darauf ...

... ihm fehlte die Gesellschaft einer gewissen Person. So machte er sich auf den Weg zum Wirtshaus. Als er durch die Tür trat erschrak der Wirt ein bisschen, verbeugte sich aber tief.
"Königliche Hoheit, was verschafft mir die Ehre Eures Besuches?"
"Herr Wirt, verbeugt Euch nicht vor mir. Ich weiß, wie ihr über mich denkt. ich weiß aber auch, dass Ihr ein gutes Herz habt. Zu dem ersten Punkt kann ich nur sagen: Ihr habt Recht. Aber ich will mich ändern, oder habe es sogar schon. Zu dem zweiten Punkt kann ich nur sagen: Ich verbeuge mich vor Euch. Ihr seid es, der das Leben in diesem Königreich lebenswert macht."
"Hoheit, wie... ich weiß gar nicht..."
"Mein lieber Wirt, seid ohne Sorge. Es ist alles gut. Oder doch zumindest fast. Ich habe nämlich eine BItte an Euch...

... ich möchte Eure Tochter kennen lernen. Ihr habt doch eine Tochter?"
Der Wirt war sehr erstaunt, doch er rief seine Tochter, die gerade in der Küche beschäftigt war, und als der Prinz sie sah, erkannte er sofort das Mädchen, in das er sich in seinem Traum verliebt hatte. Oder war es gar kein Traum gewesen? Denn auch das Mädchen schien ihn wiederzuerkennen. Sie verneigte sich vor ihm und murmelte: "Hoheit ... Ihr kennt mich sicher nicht mehr."
"Doch", rief der Prinz, "ich habe dich nicht vergessen! ...

..."Aber wie kann das sein? Es war doch nur ein Traum gewesen, oder nicht?"
"Vielleicht war es das, vielleicht aber auch nicht. Wenn es ein Traum war, so haben wir ihn wohl beide geträumt. Wenn es kein Traum war, dann will ich euch ehelichen - wenn Euer Herr Vater es erlaubt."
Der Wirt war ganz verwirrt, doch auch hocherfreut.
Schon am nächsten Samstag fand die Hochzeit statt und der ganze Ort war mit eingeladen.
Wäre es ein Märchen, so würde es jetzt heißen: Sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Doch so war es nicht. Sie mussten viele Probleme lösen, hatten Sorgen und auch Kummer, doch zusammen schafften sie es immer. Als die Zeit reif war, wurde aus dem Prinzen ein gerechter und gütiger König und seine Königin war für ihr warmes Herz bekannt und beliebt...

... und damit endet auch diese Geschichte."
Diesmal waren die Zuhörer so gerührt, dass einigen die Tränen kamen, und sie klatschten so laut Beifall, dass das alte Haus zu erzittern schien.
"Ach, wenn doch nur öfter Menschen zu uns kämen, die so schöne Geschichten erzählen können!", sagten sie. Und dann versprachen sie den Reisenden, ihnen jeden wunsch zu erfüllen, wenn es ihnen möglich wäre.
Nach längerem Nachdenken sagte die Prinzessin: ...

..."Wir haben soviel Hilfe auf unserer Reise erhalten. Unser Weg liegt klar vor uns wir wüden nur ein bisschen Hilfe brauchen um an unser nächstes Ziel zu kommen. Kann uns einer von Euch führen? Aber nur, wenn es wirklich möglich ist und nicht zu viel Gefahren für den jenigen bedeuten würde?"

"Euer Wunsch ist sehr bescheiden und nichts spricht dagegen, dass ihr einen Führer bekommt. Nun schlage ich vor, wir ruhen noch ein wenig. Die Nacht ist bald vorbei und nach einem Frühstück werdet ihr aufbrechen wollen...

Das hörten die Reisenden nicht ungern. Sie wären zwar gern an diesem Tag noch weiter gekommen, aber das Unwetter hatte sie aufgehalten und durch die Geschichtenerzählung war es wirklich sehr spät geworden. So verbrachten sie die Nacht im Haus der freundlichen kleinen Ungeheuer.
Am nächsten Morgen brachen sie früh auf und eines der kleinen Wesen begleitete sie. Im Nachhinein begriffen sie, dass es eine gute Idee gewesen war, um einen Führer zu bitten, denn ihr Weg führte nach einiger Zeit durch einen ausgedehnten Sumpf, in welchem sie sicher in Gefahr geraten wären, wenn sie keine Hilfe gehabt hätten. Das Ungeheuer führte sie sicher über einen verborgenen Pfad.
Nach einiger Zeit glaubten sie in der Ferne Gesang zu hören und fragten ihren Führer: ...

...wer da wohl sänge.
"Das sind die Nymphen des Blauen Sees. Viel weiter werde ich nicht mitkommen können, denn wo das Reich dieser Wasserwesen anfängt, hört unseres auf. Außerdem sind sie nicht gut auf uns zu sprechen. Das ist aber nicht weiter schlimm, den gleich hinter dem See liegt euer Ziel."

"Wie schon?" fragte der Ritter. "Ich dachte das läge noch Meilenweit weg."
"Das wäre auch so gewesen, wäre ich nicht euer Führer gewesen. Unser Volk kennt viele geheime Wege und ganz viele davon sind Abkürzungen."

...

Die Reisenden dankten ihrem Führer und verabschiedeten sich herzlich von ihm. Dann begannen sie, den See zu umrunden.
Die Landschaft war lieblich und der ferne Gesang wunderschön und sie genossen diesen Teil ihrer Wanderung sehr. Doch der Weg schien kein Ende zu nehmen und es begann zu dunkeln. Als das Tageslicht gänzlich geschwunden war, schien ihnen das Wasser finster und der betörende Gesang unheimlich. Er machte sie erst traurig und dann sehr schläfrig. Schließlich beschlossen sie, ...

...bei einer großen Trauerweise zu übernachten, oder zumindest etwas zu ruhen. Die Wanderer machten es sich also so gemütlich, wie es unter diesen Umständen ging. Da sie vergessen hatten Feuerholz zu sammeln, konnten sie kein Lagerfeuer entzünden und so begannen sie bald zu frieren, denn der kühle Neben, den nun vom See aus aufstieg umhüllte sie gänzlich. Die Zweige der Trauerweide, die zum Teil bis auf den Boden hingen, sahen aus wie tausend Arme, die nach ihnen greifen wollten. Die Nachtvögel sangen ihr Lied und der Mond, der voll am Himmel stand, sendete sein difusses Licht zu ihnen. Da raschelte es in ihrer Nähe und...

... sie rückten ängstlich zusammen und griffen zu ihren Waffen.
"Wer ist da?", rief der Ritter, so energisch er konnte.
Es kam keine Antwort, doch plötzlich löste sich eine Gestalt aus dem Schatten, sprang auf ihn zu und ehe er sich's versah, lag er am Boden und das Schwert wurde ihm aus der Hand gerissen. Seinen Gefährten ging es nicht besser; auch sie waren aus dem Hinterhalt angegriffen und entwaffnet worden. Ein Kreis von dunklen Gestalten umringte sie; im Mondlicht blitzten Messer und Schwerter.
Einer der Angreifer trat auf sie zu und sagte: ...

..."Wer seid ihr, und wie könnt ihr es wagen in unser Reich einzudringen? Ihr riecht nach diesen kleinen Ungeheuern, aber ihr seht nicht aus wie sie. Was also seid ihr und was wollt ihr?"

Die Prinzessin war die erste die wieder ein Wort fand.

"Verzeiht uns, wir wollten wirklich nicht widerrechtlich hier eindringen. Wir sind auf der Wanderschaft und unser Weg führte uns hierher. Das wir nach diesen Wesen riechen kommt daher, dass wir die letzte Nacht in ihrer Obhut verbracht haben. Bitte verzeiht uns, wir wollen doch nichts weiter, als unseren Weg fortsetzen."

Das Wesen mit dem Schwert sah die Prinzessin an und überlegte eine WEile, dann sagte sie:...

"Ich glaube, ihr seid nicht gefährlich für uns, doch wir wollen sicher gehen. Daher werden wir euch heute Nacht bewachen und euch morgen an die Grenze unseres Landes bringen. Doch wir fordern eine Bezahlung dafür, dass ihr unser Land durchqueren dürft. Ihr müsst ...

...uns eine Geschichte erzählen."

"Ist das hier Mode? Überall wollen sie Geschichten hören." grummeldte der Ritter, doch der Prinz hatte eine Idee. Er erzählte ihnen noch einmal seine Geschichte, die er auch bei den kleinen Ungeheuern zum Besten gegeben hatte.

Die Nymphen, denn um solche WEsen handelte es sich, waren begeistert und forderten einen Zuschlag. Die beiden anderen folgten dem Beispiel des Prinzen und ihre Geschichten wurden sogar noch besser aufgenommen. Endlich konnten die Reisenden ein wenig schlafen. Als der Morgen graute...

... machten sie sich bereit, ihren Weg fortzusetzen. Die Nymphen erschienen, um sich von ihnen zu verabschieden, und versuchten, sie zu einer weiteren Geschichte zu überreden. Das brachte die Prinzessin auf eine Idee und sie sagte: "Die kleinen Ungeheuer, die in dem verwunschenen Haus wohnen, lieben Geschichten ebenso wie ihr und kennen noch viele davon. Warum begrabt ihr nicht eure Feindschaft und tauscht miteinander Geschichten aus? Dann könntet ihr viele neue davon hören und sie ebenso."

Aber davon wollten die Nymphen zunächst nichts wissen und fingen an, lang und breit zu erklären, dass die kleinen Ungeheuer nicht nur hässlich, sondern auch dumm, gewalttätig und vieles andere seien. Schließlich wurde es der Prinzessin zu bunt und sie erinnerte sich, dass sie noch drei Wünsche frei hatte ...